Wo man Bücher verbrennt,
verbrennt man am Ende Menschen.
(Heinrich Heine)




Das Programm von 1997:

"Entartete Musik" ?
Von 1933-45 verfemt -
und heute?


Texte über die Unterdrückung
nicht-systemkonformer und
jüdischer Musiker in Hessen in
der Zeit des Dritten Reiches










Wo man Bücher verbrennt,
verbrennt man am Ende Menschen.
(Heinrich Heine)




Das Programm von 1997:

"Entartete Musik" ?
Von 1933-45 verfemt -
und heute?


Texte über die Unterdrückung
nicht-systemkonformer und
jüdischer Musiker in Hessen in
der Zeit des Dritten Reiches










Wo man Bücher verbrennt,
verbrennt man am Ende Menschen.
(Heinrich Heine)


"Verboten. Entartet? Verbrannt!
- Kultur im Nationalsozialismus"


KonzertCollage
Schönberg, Celan, Weill,
Goebbels, Mahler...

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Gelnhauser Tageblatt vom 13.11.1997

Erinnerung an einst geächtete Werke

Konzert in der ehemaligen Synagoge rief während NS-Zeit verbotene Musik ins Gedächtnis zurück - "ProOpera" brillierte

GELNHAUSEN (gt). Um ab dem Jahr eins seines "tausendjährigen Reiches" das Braun der Dreißiger im Knobelbecher-Marschschritt festzustampfen, mußte man zuerst mit scharfen Mitteln das Gold der Zwanziger, als dem freiheitlichen Deutschlands in der ersten Hälfte des Jahrhunderts, abschmirgeln: Ob per antisemitischer Hetze oder nach selbstgeprägter Skala einfach als "undeutsch" oder "nicht völkisch" abservieren.
Wie fließend die Übergänge, wie ambivalent die Positionen, wie unfaßbar die Gesamtheit von Weltgeschehen wie Realität speziell der Musikwelt von 1933-45 waren, zeigte die Gelnhauser Operncompagnie "ProOpera" in der Ehemaligen Synagoge zum Jahrestag der "Reichskristallnacht" in einem eindringlichen, mit die Zeit vor sechs Jahrzehnten vergegenwärtigenden Lesungen durchsetzten Gedächtniskonzert auf.
Das Gedenken an die im Dritten Reich unterdrückten Musiker kann nicht immer nur in Tönen der Depressivität zurückgerufen werden. Wenn die Sängerin Jacqueline Balazs mit Emmerich Kalmans "Höre ich Zigeunergeigen" quirlig und rasant durch den Raum wirbelt, mit frischer Mimik und gänzlich unaffektierter, quicklebendiger Fröhlichkeit die erfrischenden Melodien in klaren Klang und belebte Szene umsetzt, dann wird im lebendigen Beispiel vor Augen gefürt, welche lebensnahe, entspannende und einfach nur "schöne" Kunst da plötzlich unter ein unmenschliches Veto fiel. Und während Kalman ja immerhin den Krieg überstand, starb sein Kollege Leon Jessl ("Schwarzwaldmädel") hinter nationalsozialistischen Gefängnismauern.
Anton von Weberns Musik ist da noch ein anderes Kaliber, die allerdings viel von ihrer per Interpreten oft aufgedrückten Sperrigkeit verliert, wenn sie so impulsiv und plastisch vorgetragen wird wie in der spannenden, von musikalisch-intellektueller Einsicht in die Prinzipien der Partitur geprägten Darstellung der Variationen op. 27 durch den Pianisten Oliver Fürbeth. Felix Mendelssohn Bartholdy war unter den Verbotenen der erste nach dem Krieg wieder voll Eingegliederte, und Hans-Walter Richter gab sanft und schön melodisch einen Viererblock überwiegend bekannterer Mendelssohn-Klavierlieder. Das Werk von Bernhard Sekles (1873-1934), dem zur Einleitung des Abends der Musikwissenschaftler Ralph Philipp Ziegler die menschlich-historische Hommage "Gedanken an Bernhard Sekles. Einen ihrer" widmete, hat sich nie vom Veto im Dritten Reich erholt. Markus Mathiesl gab zwei atmosphärenreiche Klavierlieder nach Rücken-Texten, von denen speziell das fast impressionistische "In Meeresmitten" durch den klangvollen, sicher geführten Bariton ein- und ausdrucksvoll zur Geltung kam. Paul Hindemith schließlich hat sich nur durch seinen musikalischen Freigeist unbeliebt gemacht, und gerade die "English Songs", von denen Sandra Reichard drei mit Klang und Charme vortrug, machen deutlich, wie sehr der gebürtige Hanauer (und Sekles-Schüler) auch noch im leicht zeitgenössisch gelösten Romantischen neue Ausdrücke finden konnte.
Zum Finale spielte das "Bemardel-Quartett" den ersten Satz aus Shostakovichs "Siebtem" - transparent, charakteristisch und voller Energie eine prägnante und eindrückliche Darstellung durch die jungen Musikerinnen. Jacqueline Balazs beinahe pur lebhafter Mahler, ihr hochemotionaler Weill ("Surabaya-Johnny") oder der erste Satz aus Mendelssohns Quartett op. 44 Nr. 2 rundeten ein qualitätvolles Musikprogramm mit feinsinnigen Ereignissen ab. Damit nichts "einfach nur schön" blieb, konfrontierte Rainer Hauptmann die Musik auf Schritt und Tritt mit authentischen Zitaten aus der politischen Geschichte Gelnhausens und der Musikgeschichte allgemein. Petra Graf kommentierte in der reflektierenden Zeilen per Gedichten von Heym, Celan und Heine, beide mit Persönlichkeit und Sinn für die historische Qualität der Textaussagen. Es wurde zum schönen und schlimmen, zum lustigen und schrecklichen Abend, vor allem aber zu einer herzlichen Erinnerung.

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ÜBER "DIE CAVALLEROTTI":

Wiesbadener Tagblatt vom 14.08.1999

Kreative Ideen mit einer inhaltlichen Substanz

Kooperative "Die Cavallerotti" will in Wiesbaden ein kulturelles Netzwerk zur Förderung des Nachwuchses aufbauen


dh. Die Idee zur Wiesbadener Kulturkooperative "Die Cavallerotti" wurde im Oktober 1996 geboren. Seither bemüht sich der Zusammenschluss von Künstlern, Musikern, Filmschaffenden und Dozenten darum, ein kulturelles Netzwerk zu knüpfen, das Projekte und Initiativen mit Nachwuchstalenten unterschiedlicher Ausprägung ermöglicht. Angesprochen sind Künstler mit hoher Qualifikation, die jedoch aufgrund des "überfüllten Marktes" im konventionellen Rahmen bisher kaum Betätigungsfelder finden konnten. Gemeinsam soll innerhalb der Kooperative nach Formen gesucht werden, um eigenständige Projekte zu realisieren und somit den künstlerischen Dialog weiterzuentwickeln. Durch den Kooperativansatz könne auch mit wenig Geld aber viel Engagement erhebliches geleistet werden, so ist sich Rainer Hauptmann, Initiator und Leiter der "Cavallerotti" sicher.
Die bisher geleistete Arbeit gibt ihm dabei recht. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für Filmkunde wurde im September 1997 der Paul-Leni-Film "Dornröschen" aus dem Jahre 1917, musikalisch begleitet von einer Komposition für Salonorchester des polnischen Komponisten Jerzy Skorsky, aufgeführt. Unter Leitung der Frankfurter Dirigentin Natalie Schwarzer spielten damals Mitglieder des Landesjugendorchesters Hessen. Mit diesem Programm gastierten die Musiker mittlerweile auch in Hamburg, weitere Gastspiele in Deutschland sind in Planung.
"Diese Musik wurde ermordet", hieß eine Kombination aus Lesung und Musikvortrag "mit der vor allem die antisemitischen Anfeindungen, denen sich der jüdisch-stämmige Komponist Felix Mendelssohn Bartholdy ausgesetzt sah, näher beleuchtet wurden. Die Korrespondenz zwischen Vortrag und Musik, die Auseinandersetzung und nicht bloße Interpretation von Musik war ausschlaggebend bei den Veranstaltungen. Gerade ist die Produktion einer Dokumentations-CD abgeschlossen, die den Vortrag und den kompletten Liederzyklus op. 65 sowie das ursprüngliche Konzertprogramm beinhaltet. Die Doppel-CD soll nahezu zum Selbstkostenpreis vor allem an Bildungseinrichtungen abgegeben werden, um eine intensivere Beschäftigung mit dem Themenkomplex zu ermöglichen.
Rainer Hauptmanns Konzept bei allen Aktivitäten folgt einer eigentlich schlichten Formel: "Wir wollen Themen aufgreifen, die uns faszinieren." Heraus kommt wohl keine populäre Unterhaltung, denn "das können andere besser". Wohl aber entstehen im Verbund mit der Kulturkooperative kreative Ideen mit inhaltlicher Substanz. Die künstlerische Eigenständigkeit bleibt stets gewahrt, da die bewussten Alternativ-Modelle weniger dem ökonomischen Zwang als der konsequenten Realisierung der gesetzten kulturellen Ziele folgen. Dabei müssen die "Cavallerotti" auch nicht unbedingt im Vordergrund stehen. Oftmals reicht es, Kontakte herzustellen oder Denkanstöße zu geben.
So entwickelt sich zur Zeit ein immer weiter gespanntes Netz von Personen, Ideen und Projektvorstellungen. Hauptmann selbst zieht seine Motivation, oft auch langwierige Verhandlungen und organisatorische Vorhaben durchzustehen, aus einer ehrlichen Begeisterung. Lange Zeit arbeitete er in unterschiedlichen Funktionen auf und an der Bühne, bis er schließlich in einer freien Filmproduktion während eines Orchesterworkshops auf die Idee der Kooperative kam. Mittlerweile haben ihm seine Aktivitäten die Gelegenheit geschaffen, an einem Kulturmanagementstudium in München teilzunehmen, aber auch dort werden weiterhin die Fäden gesponnen.
Übrigens: "Cavallerotti" ist die Bezeichnung der als unzuverlässig, wankelmütig und kleinbürgerlich geltenden Parteigänger und Schwertleute im Italien des Trecento. Es handelte sich dabei um die unterste Oberschicht, die bei politischen Entscheidungen zumeist durch ihre Korrumpierbarkeit und Tücke auffiel und ihr Mäntelchen in den jeweils wehenden Wind hing. Eine Anspielung, die bewusst mit einem augenzwinkernden Seitenhieb auf das Gerangel in der freien Kulturszene gewählt wurde, verrät Hauptmann.

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